Chemnitz steht für Demokratie

Rede von Superintendent Frank Manneschmidt während der Demonstration auf dem Chemnitzer Neumarkt am 24. Januar 2024.

Es gilt das gesprochene Wort.


Liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer, liebe Schwestern und Brüder!

Nachdem ich vor wenigen Tagen angefragt wurde, als Superintendent auf dieser Kundgebung zu sprechen, habe ich spontan zugesagt und im Chemnitzer Kirchenbezirk eingeladen, daran teilzunehmen. Neben viel Zustimmung gab es natürlich auch Kritik: Wie ich als Superintendent einseitig zu einer die Gesellschaft spaltenden Veranstaltung einladen könne? So hieß es auch aus Kirchenkreisen, wenn auch nur ganz vereinzelt.

Das verwundert einerseits nicht – schließlich bilden auch wir als Kirche großenteils unsere Gesellschaft ab mit all ihren unterschiedlichen Meinungen und Ansichten. Andererseits muss ich zu der vorgetragenen Kritik sagen: Eine Veranstaltung, die sich für ein demokratisches und respektvolles Miteinander in unserer Gesellschaft einsetzt, die hat für mich nichts Spaltendes, sondern etwas Einigendes! Und deshalb stehe ich auch zu dieser Einladung und freue mich darüber, dass so viele hierhergekommen sind.

Für uns als Bürger dieses Landes und dieser Stadt kommt es gerade jetzt und im weiteren Jahr darauf an, diejenigen Kräfte in unserer Gesellschaft zu unterstützen, die sich für den sozialen Zusammenhalt stark machen. Und wir wissen gerade aus den Erfahrungen unserer deutschen Geschichte, daß ein geordnetes, aber auch freiheitliches Zusammenleben am besten durch die freiheitlich-demokratische Grundordnung gewährleistet wird.

Natürlich kann man sich aufregen über die Politik der Ampelregierung und darüber, dass die drei Ampelparteien sich partout nicht einigen können, und wenn sie sich dann doch mal auf was geeinigt haben, können sie es nicht kommunizieren (worunter gefühlt das ganze Land leidet – das geht mir selbst zuweilen nicht anders!). Und deshalb ist hier konstruktive Kritik auch zulässig, ja geboten und angebracht.

Aber: Politischer Frust darf nicht dazu führen, der Versuchung zu erliegen, sich zu vermeintlichen „Alternativen“ zu flüchten, deren Vertreter ernsthaft darüber nachdenken, Millionen von Menschen aus dem Land auszuweisen und zu deportieren. Was von Rechtsextremen „Remigration“ genannt wird, bedeutet, zu Ende gedacht, „nichts anderes, als Deportation von Menschen, die nicht einer völkischen Reinheitsfantasie entsprechen.“ (Der Spiegel, Nr. 4, 2024, S. 6). Wer solchen Gedanken anhängt, überschreitet jegliche Grenze einer sachlichen und konstruktiven Kritik.

Für uns kommt es deshalb darauf an, nicht immerzu darauf zu starren, schon gar nicht ängstlich wie das Kaninchen vor der Schlange; sondern, anstatt verbal gegen andere zu schießen, vielmehr mutig nach vorne zu sehen und für ein soziales Miteinander einzutreten, für ein solidarisches, für ein barmherziges Miteinander, für eine Gesellschaft der gegenseitigen Achtung und des Respekts, für eine demokratische Gesellschaft, wie sie der Rechtsstaat auf dem Boden des Grundgesetzes uns garantiert.

Und deshalb lasst uns als Bürger, als Christen, aber auch als Nichtchristen, die sich den christlichen Traditionen und Werten unseres Landes verbunden wissen, aber auch als Vertreter anderer Religionen für eine demokratische Gesellschaft eintreten und – bei den bevorstehenden Wahlen, aber auch über sie hinaus! – diejenigen Kräfte, Parteien und Organisationen und deren Vertreter unterstützen, die sich im demokratischen Spektrum verorten und die sich dafür einsetzen, unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung zu fördern, zu erhalten und zu bewahren!

Treten wir ein für unsere Demokratie – das ist ein Aufruf an alle politischen, kirchlichen, religiösen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Kräfte in unserem Land – treten wir ein für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Mitmenschlichkeit!

Dafür werbe ich, und bitte Euch: Werbt ebenfalls dafür! Sorgt mit dafür, dass wir nicht nur heute in einer Demokratie leben, sondern dass das auch in Zukunft so bleibt! In diesem Sinne suchen wir wahrlich „der Stadt Bestes“, wie es beim Propheten Jeremia heißt. (Jer 29,7)

Gott segne Euch, vielen Dank, dass Ihr gekommen seid und vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!